Hochseefischer Welt
Fahrzeitberichte
Fortsetzung
Aber jetzt war offensichtlich, die Gebläsewelle saß fest, ein Kugellager blau angelaufen, selbst jetzt konnte
man es noch nicht berühren, so heiss war es! Ein Wechsel des Lagers unvermeidlich.Nun konnten wir uns
absprechen. Keiner, aber auch keiner von uns hatte in all den Jahren so einen Schaden schon einmal erlebt.
Neuland für alle. Das weitere Vorgehen wurde abgesprochen, alle Maschinesen in zwei Gruppen geteilt
( das hieß bei uns , je 3 Mann), die sofort in 6/6 Wach - und Arbeitsstundensystem gingen. Nur ich, als Heizer
werde alle zwei Schichten durchgehend begleiten, so war gewährleistet, dass alle im "Normalzustand"
arbeiten können und einer die Arbeitsabläufe zuordnen konnte.
Das Schiff lag "gut" vor Anker, die zwei Netze auf über 400 m Wassertiefe mit fast 2000 m Kurrleine hielten
das Schiff und zum Glück lag es in der langen Dünung ruhig.
Noch am Abend, wir hatten fast das Gebläse ausgebaut, wurde ich in den Funkraum gerufen. Der Funker
drückte mir den Hörer in die Hand :"Rostock", flüsterte er fast erfurchtsvoll. Ich hatte noch nie von See
telefoniert, wer hatte schon damals ein Telefon zu Hause? Jetzt krächzte eine Stimme im Hörer:" Heizer,
sind sie gesund, gab es Personenschäden?". Die Stimme des Fangleiters in Rostock klang ehrlich besorgt
und es war ihm hoch anzurechnen, dass er sich als erstes nach unserem Befinden erkundigte.
Ich schilderte unsere Situation und unser Vorgehen.
Er wünschte uns Glück bei der Reparatur und schon war die Verbindung mit der Heimat beendet.
Es folgte anstrengende Arbeit, alle "unsere" Mittel wurden eingesetzt, so wurde die neue Welle im Gefriertunnel tiefgekühlt, in der
Kombüse auf dem Herd, im besten Topf vom Koch Maschinenoel erhitzt und darin das neue Kugellager erwärmt. Als alles auf
Temperatur war, lief der Kälteing vom Gefriertunnel mit der Welle und der Deckschlosser von der Kombüse mit dem Lager
gleichzeitig los, ein regelrechter Staffellauf, so konnten die beiden Teile im Maschinenraum vereinigt werden, das Lager flutschte
nur so auf die Welle, nachdem beide Teile die Umgebungstemperatur angenommen hatten, saßen sie so fest, dass sie wieder
Jahre halten konnten!
Natürlich kam jetzt die Frage auf, warum lief das alte Lager fest und hatte solch eine dramatische Wirkung? Die Lösung war
simpel und offenbarte Mängel der Werftüberholung (da hatte der Maschinenmeister gefehlt!).
Das Lager, ein sogenanntes Z-Kugellager, bei dem eine Seite des Lagers völlig abgedeckt ist und die andere Seite den Blick
auf die Kugeln freigibt, war vermutlich in der Werft verkehrt eingebaut worden. Die abgedeckte Seite zeigte zum Oelstrahl,
so konnte das Lager nicht geschmiert werden, das Oel lief einfach an der Abdeckung ab! Mit dem ersten Aussetzen wurde
die Maschine erstmals voll belastet und das Lager ging mangels Oelmangel fest! Durch das Auslösen des Notstopps wurde
dem Lager das letzte bißchen Kühlung beraubt und der Oeldunst entzündete sich in der Maschine!
Mein Fehler, hinterher ist man schlauer.....,ein "normales" Abstellen mit laufenden Oelpumpen hätte zumindest die Explosion
verhindert!
(Habe ich mir beim nächtelangen Grübeln über unser eigenes Handeln gedacht. So eine Sache hat uns schon wochenlang
"beschäftigt".
Nach 48 Std war die Reparatur beendet, natürlich hofften wir alle, dass es gelungen sein möge.....Als die Maschine lief, das
Gebläse normale Werte anzeigte, stieg die Stimmung! Mich schickten die Jungs in die Koje, ich muss wohl fürchterlich
ausgesehen haben, aber schlafen konnte ich dennoch nicht. Der Körper musste wohl zuviel Adrenalin abbauen..........
Nur jetzt hatten die Matrosen die Sorgen, wie werden die Netze heraufkommenen? Es war nicht zu schlimm, nur die inneren
Bretter hatten sich verharkt. Das hatten die Jungs schnell im Griff! Endlich konnten wir fischen, für die nächste Zeit konnten
wir die Beine im Schalttafelraum hoch legen, es lief wieder alles wunderbar.
Doch da hatten wir die Rechnung nicht mit dem Fangleiter gemacht, der stieg auf unser Schiff über und offerierte uns seine
Pläne für neue Garnelentrawler. Es hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, auf Dauer müssten unsere Schiff durch Neubauten
ersetzt werden. Schon jetzt sollten wir an den Bedingungen für diese mitarbeiten, nix mit Beine hoch legen!
Dabei war abzusehen, die Garnelenfischerei, so wie wir sie betrieben, obwohl erfolgreich, mussten doch jährlich zu den 900
Tonnen über Lizenzen für Garnelen, weitere Tonnen bei der Fischereibehörde in Mocambique nachgekauft werden, wird es so
nicht mehr geben. Das bedeutete auch damals für uns Arbeitsplatzabbau, Minimalbesatzung. So wie es Japaner, Spanier seit
Jahren in Mocambique mit einheimischen Besatzungen betrieben.
Die Ereignisse im Jahr 1990 ließen dann diese Pläne nicht mehr Wirklichkeit werden. Dennoch hatte unser Engagement im Land
auch danach noch einige Zeit Wirkung hinterlassen. So äußerte sich doch ein mocambiquanische Vertreter sinngemäß einmal :
" ..die kleine DDR hat mehr Engagement und Anteilnahme für unser Land gezeigt, als das gemeinsame grosse Deutschland....!"
"An Land"
Mein Skorpion lebt nun schon mehr als 30 Jahre an meiner Seite........hat Verständnis aufgebracht, sich durchgesetzt, mich "fast"
immer noch fest im Griff..........:)
So stand ich Anfang der 80er Jahre, Mitte Januar, wieder mal in der Glastür, nein nicht der, wo man teils übermüdete, teils
fröhliche, feiernde junge Gesichter bei Hochseefischertreffen an den drei Tischreihen des HDH sehen konnte, nein, vor der
Glastür, deren Scheiben milchig eingetrübt waren.
Keiner sollte hinein- oder hinausschauen können. Auch so wurde dem Ankommenden klar gemacht, er ist zu Hause!
Schon zuvor hatte der Grenzbeamte mit wichtigem Blick mein Gesicht gemustert, prüfend mein Seefahrtsbuch aufgeklappt und
mich mit einem mürrischen " Weiter", entlassen zu seinem Kollegen vom Zoll, der mich und mein Gepäck mit müden Ausdruck
morgends 03 :00 Uhr am Flugplatz Schönefeld bei der Einreise abschätzte. Ein leicht aufkommendes Lächeln um seine
Mundwinkel war nicht zu deuten, galt es meinem Aussehen? Mit breitkrempigen Strohhut auf dem Kopf, leichten Hemd und
Jacke, die noch in der kleinen Umhängetasche hing, den kleinen Koffer in der rechten Hand. Mit Links schwer an einem
grossen Bastkorb ziehend, aus dem die Strünke mehrerer Annanas herausschauten und das Gelb Orange der Apfelsinen und
Mandarinen leuchtete und hier fast den Duft des Marktes von Maputo hereinbrachten. Mit den Füssen die "Heimatware", den
Karton Garnelen in Styropor vor mir herschiebend, machte ich wohl den Eindruck eines zufriedenen Bauers auf ihn,
so dass er mich einfach weiterwinkte..........
Mit der Schulter die Tür aufgedrückt und schon stürzte eine Frau auf mich zu! Eine zweite sprang auf und zog die erste an
deren Jacke mit den Worten zurück: " Halt Helga, das ist nicht Deiner, das ist meiner...!".
Die Frau , die nun auf mich zukam hatte brünette Haare, prüfend glitt mein Blick ganz schnell die Reihe der Frauen ab, die wie
Hühner auf der Stange im Bereich der Glastür am Fenster saßen. Alle mit schick gemachten Haaren, meist frischen weissen
Blusen, erwartungsvollen Blicken und leicht geröteten Wangen vor Aufregung - nur meine Blonde, die ich vor mehr als drei
Monaten verlassen hatte, war nicht zu sehen!
" Du brauchst nicht suchen! Ich bin es", ja, jetzt erkannte ich "Sie", Ihre lachenden Augen, ob der gelungenen Überraschung
hatten es mir verraten.
Es war "Meine", meine Frau, meine Biene, die Mutter unserer Kinder!
Natürlich bewunderte sie meinen Strohhut, obwohl er zum Wetter mit Schnee und Eis auf den Strassen ihr leicht "overdressed"
vorkam, aber sie wusste meine Mühen noch kurz vorm Heimflug auf den Markt zu gehen und für die Familie frisches Obst zu
besorgen, zu schätzen und als sie meine Maschinenkollegen, alle mit zünftigen Strohhut bekleidet sah, konnte sie den meinigen
auch schon "würdigen"..............
Natürlich war jetzt in der Nacht eine Weiterfahrt nach Rostock den Frauen und uns nicht zuzumuten, also wurde der 1.Maschinist
mit seiner Frau in das Auto eingeladen und ab ging die Fahrt in die Berliner Innenstadt, direkt zum Alex ins Interhotel
"Stadt Berlin".
Während mein Erster schon auf der Fahrt seiner Frau versuchte zu verklickern, wieso er den weiten Weg von Maputo in das
winterlichen Berlin in Bordtagesklamotten und "Ochsenfellpantoffeln" angetreten hat, konnte ich immer wieder verstohlen
"Meine" von der Seite mustern, was sie nicht abhielt, am liebsten auf der kurzen Fahrt sämtliche Ereignisse von zu Hause und
den Kindern zu erzählen.......Im Hotel schnell Zimmer gebucht, inmitten des "babylonischen" Stimmengewirrs im Hotel zu früher
Morgenstunde schwirrten uns Russische , Englische....polnische Worte um die Ohren, so dass wir alle froh waren endlich die
Ruhe eines Zimmers weit oben über dem Alexanderplatz geniessen zu können........
Bis es früh morgends um 08:00 Uhr laut an der Zimmertür klopfte....Mein Erster!, "Tom, borg mir mal ganz schnell Deine Schuhe,
ich muss schnell drüben im Schuh - Ex ein paar Neue kaufen!" Nun raubte er mir mit seiner Escapade noch den Schlaf!
Davor hatte ich bzw.wir schon vorm Abflug in Maputo die grössten Sorgen.
Längst sollte er mit der ganzen Besatzung im Flugzeug sitzen ,ja, sein Koffer war schon drin, aber er immer noch nicht zurück
vom "Landausflug".........Im letzten Moment, als der kleine Botschaftsbus den Funker, Kapitän, Steuermann und mich abholen
wollte taucht mein "Erster" auf, im wahrlich "letzten" Hemd. Abgebrannt ohne Hemd und Hose, schnell auf dem Schiff noch
Bordklamotten und Ochsenfellpantoffeln angezogen und ab zum Flugplatz...............
Welche Geschichte er auch seiner Frau erzählt hatte, ich gab ihm meine Schuhe und wir noch einige Zeit, morgends im Hotel
zum Kuscheln!
Nach einem gemeinsamen Frühstück, nun mit trockenen Füssen, ab auf die Autobahn nach Rostock! Noch am gleichen Tag bin
ich in das Kombinat, alle Ereignisse der Reise frisch im Kopf, damit hin zu meinen Bauleitern, die Notwendigkeiten und
Ersatzteilanforderungen mit Dringlichkeit dargelegt, kurz beim Maschineninspektor vorbeigeschaut und schon hatte ich mir
die leidige Fahrt zu Beginn einer jeden Reise nach Rostock, wegen der "Reisebesprechung", sprich Reiseziele, politische
Einweisungen und Darlegungen erspart.
Meine Frau, die während dessen geduldig im HdH wartete, wurde abends mit einem schönen Essen in der "Schillerstrasse",
dem "8" in einem Restaurant des Neptunhotels und am nächsten Morgen der obligatorische Besuch des Basars in Warnemünde,
Alten Hafen oder HDH, belohnt.
Das wichtigste für Sie, "Schicke Kinderklamotten", wobei ich schon bei ihr einige Überzeugungsarbeit leisten musste, bis sie
verstand, dass unser Lütter unbedingt noch den tollen Matchboxlaster mit dem Bagger hintendrauf braucht! Natürlich war bei
mir auch schon ein bissel das Kind im Manne geweckt, bestand doch unsere Kindheit auch aus Sehnsüchten, deren Erfüllung
wir nun unseren "Eigenen" gönnen wollten.......!
Natürlich wurden diese Möglichkeiten, dass unsere arbeitenden Frauen die Zeit ungeschmälert während unseres Landauf-
enthaltes mit uns verbringen konnten, gern als "soziale Errungenschaft" von Partei und Gewerkschaft gefeiert. Vergessen wird
dabei, dass nicht wenige, so auch ich, diese unbezahlte Arbeitsfreistellung gegen die Widerstände ihrer Chefs durchsetzen
mussten. Noch heute füllt der Briefverkehr bis hinauf zum Minister eine Kladde. Meine Frau als Ergebnis zwar die Freistellung
erhielt, nun aber den Schikanen, dem Neid und der Missgunst ihrer Kollegen ausgesetzt war!
So muss man heute klar stellen, dass diese Zeit, diese gemeinsame Zeit, letztlich von uns, uns ganz allein getragen wurde.
So, wie sie nun als unbezahlte Arbeitsfreistellung galt, so zählt sie heute natürlich als Fehlzeit bei der Rentenberechnung!
Dennoch bin ich heute froh, dass wir uns diese Zeit "gegönnt" haben, niemand dafür danken müssen, sondern Stolz sein
können, diese Zeit für uns gewonnen zu haben..........
Ganz anders sieht es aus, als nach 1990 meine Frau, mein Sohn als Passagiere bei freier "Kost und Logis"auf meinem Kümo
wochenlang mitreisen durften - der Reeder darin eine Möglichkeit sah, "seine" Leute zu motivieren.
(Wer sich mal im Internet über Frachtschiffreisen informiert, kann ersehen, was uns da zu Gute kam)
Natürlich stimmen solche Schicksale, wie in dem Brief von "Elke" geschildert traurig. Aber ich glaube nicht, dass dieses allein
dem Umstand der Seefahrt des Mannes geschuldet ist. Nein, dass gab, gibt es auch an Land!
Wie schwierig es ist "zwischenmenschliche" Beziehungen zu pflegen sehen wir jeden Tag in den Medien..............
Für mich zählt nach wie vor - die "Richtige" , oder für die Frauen, den "Richtigen " muss man finden!
"Weihnachten auf See"
Weihnachten auf See hatte schon viele Seiten,
da wurde noch am 23.12, ausgelaufen, die Matrosen, wir alle hatten wütende Gesichter, an Land standen die traurigen Frauen,
die bis zu letzt auf ein gemeinsames Weihnachten gehofft hatten.......
oder der Wettergott hatte die Matrosen erhört schickte eine richtige Bris, die ein Fischen verhinderte oder ein verantwortlich
handelnder Kapitän hatte entschieden, die paar Stunden Besinnlichkeit müssen bei aller Jagd nach dem Fisch zumindest
Weihnachten möglich sein und so dann alle mit frisch gewaschenen Hemden in der Messe saßen, der kurzen Rede des
Kapitäns lauschten, die immer an die daheim gebliebenen erinnerte ,aber auch immer unser Ziel - viel Fisch zum Inhalt hatte,
danach sich eigentlich die schönsten Weihnachtsfeiern, die ich erlebt habe entwickelten, voller Gefühle, Sehnsucht nach
Ruhe und Frieden.............
Natürlich wurde noch vor dem Auslaufen traditionell der Weihnachstbaum hinauf in den Mast transportiert, als Zeichen, dieses
Schiff verbringt Weihnachten auf See ..................
Aber auch als später ein unerfahrener junger Kapitän am Weihnachtstag ausläuft, obwohl da draussen in der Nordsee Orkan
gemeldet war, wir just an den Weihnachtstagen fast in Seenot gerieten, nur durch das beherzte Eingreifen des Steuermanns
und meiner stundenlangen Handsteuerung der Maschine konnte die Situation gerettet werden, dabei war meine Familie mit
an Bord, was die Situation nicht wirklich verschönern ließ und ich erst ruhig wurde, als wir die rettende Einfahrt von Rotterdam
erreichten!
Weihnachten auf See....................
Ich wünsche Euch allen, Schreibern und Lesern ein schönes, ruhiges Weihnachtsfest, schöne Stunden im Kreis der Familie,
mit Gedanken der Erinnerung, das gerade dies uns damals nicht vergönnt war und wir nun genießen können...............
Gedanken an die Jungs da draussen, dass alle gesund heimkehren mögen...
in dem Sinne grüsst Euch
Heizer Tom