Hochseefischer Welt
See-Notfälle
Berichte von Kollegen zur “Jungen Garde
“
Hans Kühns Erinnerung an eine Fangreise,
die er wohl nie in seinem Leben vergessen wird !
Havariereise auf ROS 317 "Junge Garde"
Wie üblich hatte ich einen längeren Urlaub verbracht, aber durch Zeitverzögerung von
meinem Stammdampfer musste ich auf ein anderes Schiff aufsteigen. Es ist das Größte,
für die Hochseefischerei je gebaute Schiff neben dem Schwestenschiff der „Junge Welt“.
Die „Junge Garde“ war eine Weltneuheit im Schiffsbau für die Hochseefischerei. Dieses
Transport- und Verarbeitungsschiff war gegenüber einem Fang- und Verarbeitungsschiff
schon ein mächtiger Unterschied, die Größe des Schiffes konnte beeindrucken.
- 141m lang; - 21,20m breit; - 4800 PS; - 1993 t Ladekapazität; - Hubschrauberdeck
Also etwas Neues für mich und die anderen Neuaufsteiger. Dann der erste Eindruck vom
Innenleben - wau - nur Zweimannkammern , ein Kinosaal, die riesige Messe , eben alles viel
Größer. Die Reise ging ca.3000 sm weit nach Labrador. Wie immer auf der Hinreise wurden
die Vorbereitungsarbeiten im Tagesrhythmus erledigt. Für mich ein erster Einblick in meinen
neuen Arbeitsbereich, den Stauraum, auch Eisraum genannt. Das war schon ein Unterschied
zu den mir gewohntem Verarbeitungsschiff, erst die Größe, dann waren wir zu zweit und im
Wechsel dort unten, da die Frostware in Folie verpackt war und ständig nach unten in den
Laderaum kam. Auf dem Verarbeiter war der Stauer noch damit beschäftigt die Ware in die
Kartons zu packen und sie zu verschnüren (mein Altpapier wird heute noch so verschnürt).
Und dann kam der 8.März 1968, es war eine Schlechtwetterlage angesagt, aber ein
Zubringer hatte noch einen vollen Steert, mittlerweile Windstärke 8 bis 9, er sollte noch
übernommen werden (war ja auch unser aller Geld). Der Steert wurde aufgepickt und als er
über die Slip gezogen wurde passierte es . Das Schiff wurde aufgrund der Größe und
Schwere des Übergabesteertes ausgehoben und der Steert geriet daraufhin in die Schiffs-
schraube. Damit waren wir manövrierunfähig.
Wir trieben auf ein Packeisfeld zu und am Morgen des nächsten Tages, ich saß mit einigen
Kollegen in meiner Kammer (Backbord) beim Kaffe und beobachteten durch das Bully die
riesigen Eismassen um unser Schiff. Dann ein Ruck, ein Schlag, dumpfe Geräusche, wie
in einer Glocke. Wir wurden umhergeschleudert, durch den Bordfunk kam Lecksicherungs-
alarm , was nicht jeder gleich erkannte bei den vielen Übungsalarmen. Jeder rannte zu
seiner Schwimmweste und dann zum Stellplatz. Ich musste in den Maschinenraum, denn
dort hatte es das Schiff erwischt, genau neben den ganzen "E-Tafeln". Wer am Schott des
Maschinenraumes stand, der dachte, er steht an einem riesigen Wasserfall.
Es war Stromausfall, fast dunkel, die Lenzpumpen gingen nicht, der Notdiesel war
abgesoffen, also Handarbeit, ran ans Leck und ins eisige Wasser. Draußen waren glaube ich
so bei 20 Grad Kälte. Wie oft wir an den Pumpen gewechselt haben, und wie wir das alles
in den nassen Klamotten überstanden haben, kann ich nicht mehr sagen. Nach meinen
Erinnerungen kam ein Maschinist auf die Idee, den Notdiesel mit Hilfe einer Taucherflasche
in Gang zu bringen.Trotz des Risikos gelang dies und es war teilweise wieder Licht, Wärme,
wohl auch der Notsender wieder im Gange.
Durchnässt und kaputt hielten sich viele in den Umkleideräumen auf, da es dort warm war.
An das Leck wurden ausser dem normalen Lecksicherungsmaterial (was erst vom Peildeck
nach unten gebracht werden musste) alles herangeschleppt was zum Abdichten geeignet
schien. Das Schiff wurde getrimmt, weil ja auch ein Teil vom Leck unterhalb der Wasserlinie
lag. Ich weis noch, als das Leck einigermaßen dicht war, mussten Leute ran und die E-Tafeln
vom Salzwasser säubern (das immer wieder), weil durch Eisberührung immer wieder Wasser
auf die Tafeln kam.
Uns waren inzwischen Schiffe unserer Flotte, die in der Nähe waren, zu Hilfe gekommen,
Z-Trawler und die „Junge Welt“, aber es kam keiner so richtig an uns heran um eine
Schleppverbindung herzustellen. Immer noch inmitten der Eisschollen, kam irgenwie auch
die Meldung auf, von Eisbrecher und Hubschrauber zur Rettung des Schiffes. Irgendwann
am dritten Tag waren wir vom Eis befreit, also nicht mehr umklammert und es konnten
Schleppverbindungen hergestellt werden.
Wir wurden von zwei oder drei Trawlern in Schlepp genommen, auch dies war bei schwerer
See mit Schwierigkeiten verbunden, denn die Verbindungen, obwohl Ankerketten, brachen
etliche mal.Teilweise war unser Schiff das Große, den kleinen Trawlern sogar vorraus ohne
eigenen Antrieb, durch die Wirkung des Trägheitsgesetzes. Aber als der Motor von uns
wieder in Gang war, konnten die Trawler unterstützt werden und nach 10 Tagen erreichten
wir den Hafen von St. Johns. Dort stellte sich nach ein paar Tagen heraus, daß das Schiff
ins Trockendock muß. Ein Teil der Besatzung wurde in die Heimat geflogen,und dann nach,
ich glaube einer Woche, wieder nach St.Johns geflogen. Das Schiff sollte wieder auf den
Fangplatz zurück. Doch dann passierte es. Ein Diesel ging kaputt und nach Absprache mit
der Fangleitung des Kombinates wurde die "Junge Garde" auf Heimreise geschickt. Ich
selbst bin auf ROS 316 "Junge Welt", das Schwesterschiff, umgestiegen und habe praktisch
dadurch eine Doppelreise durchgezogen.
Nach der Ankunft vom Rückflug nach Hause, wurde uns auf einem Empfang in Berlin
Schönefeld mit Landwirtschaftsminister ec.wurde uns offenbart, daß man die „Junge Garde“
schon fast aufgegeben hatte. "Somit kann man der ganzen, aber auch ganzen Besatzung
nur danken, daß sie diese einmalige Situation so gemeistert hat, und weiterhin alle Schiffe
der Hochseefischerei wieder in den Heimathafen eingelaufen sind."