Hochseefischer Welt
taufe auf See
Die Polartaufe und die Äquatortaufe sind beides wichtige Ereignisse im Leben eines Seemannes. Nicht immer gibt es geeignete Organisatoren, die die Taufe für die Täuflinge vorbereiten, gebraucht wird auch ein zeichnerisch talentiertes Besatzungsmitglied, das die Taufscheine erstellt. Wenn alle Voraussetzungen vorhanden sind, wird die Taufe zu einem unvergesslichen Erlebnis für die gesamte Besatzung. Auf den folgenden Seiten wird versucht, einige Momentaufnahmen von verschiedenen Taufen auf verschiedenen Schiffen vorzustellen.
Historisches Über die Entstehung und weltweite Entwicklung der Äquatortaufe ( historisches über die Entstehung und weltweite Entwicklung der Äquatortaufe zusammengetragen von Frau Dr.Ch.Anders) Das Wort taufen entstammt der Übersetzung aus dem griechischen baptizein, das der Bedeutung von Eintauchen, Untertauchen entspricht. Im Wortschatz der christlichen Goten lautet es daupjan, woraus sich unser Wort taufen entwickelte. Wer von der nördlichen auf die südliche Halbkugel mit einem Schiff reiste und dabei erstmals die unsichtbare Linie, den Äquator überquerte, musste eine Taufe über sich ergehen lassen, oder wie es ebenso häufig genannt wurde, er musste gehänselt werden. Hänseln bedeutete ursprünglich, in eine Gesellschaft aufgenommen zu werden. Die Aufnahme und die Gewährung der Rechte der Gesellschaft setzten zweierlei voraus: zum einen die Entrichtung der "Hänse", zum anderen das Bestehen harter Mutproben. Die Mutproben haben ihren Ursprung in den Bräuchen der Völker des Altertums, wo die jungen Männer auf kultischen Festen in die Reihen der Erwachsenen aufgenommen wurden. Die Taufe am Äquator ist der einzige Hänselbrauch in der Schifffahrt, der Jahrhunderte überdauerte. "... Die wahrscheinlich früheste Beschreibung einer Taufe am Äquator stammt von einem Mönch namens Parmentier, der sie während einer Reise an Bord eines französischen Schiffes 1529 erlebte." ... In einer Übersetzung aus dem Jahre 1706 heißt es in den Zee- und Landreysen: "Als wir sind under dem Gürtel der ganzen Welt hingefahren, haben die Schiffleute mit sonderlicher Solenitet ihren Gebrauch und Gewohnheit mit dem Hänsel begangen. Sie bunden diejenigen, welche zuvor nie da gewesen, und die Aequinoctiallinien übersegelt hatten, an Seihel, liessen sie von den Schiffen hinunder, dünckten sie under Wasser. Sie schwertzten auch Thücher an einem Kessel, und machten ihnen das Angesicht damit schwartz. Wer sich will mit Gelt ablösen, ist hiervon gefreyhet. Auff solcheweiss werden nun dieselbigen zu einem ewigen gedöchtnuss gehänselt, wie dann auch mir dazumal widerfahren ist." Unter dem Titel "Reisen nach den portugiesischen Perleninseln" schrieb 1678 Amman: "... allda haben sie diejenigen, so den Orth niemal gesehen, oder dessen höhe passiert, getauft: daß ist, sie haben dieselbigen an dem grossen Segelbaum oder Raa 3 mal aufgezogen, und in das Meer fallen lassen; es ließen sich 6 also tauffen, andere aber kauften sich mit Gelt ledig; die kleinen Knaben aber setzten sie unter einen großen Korb, und begossen selbige mit 1 oder 2 tonnen Wasser auf einmal." Ähnliches wird berichtet von einer Schiffsreise nach London 1712, wo das Ins-Wasser-lassen noch etwas ausführlicher beschrieben wird. "... Oben an der Raa oder an der Stange quer über an dem großen mittleren Mastbaum machen die Schiffsleute ... ein Seil, in daß selbe einenPrügel, darauf man sitzen muß... der Hänselnde wird plötzlich herunter ins Wasser gelassen über den Kopf hinaus und solches dreimal; wer diese Hudelay überhoben sein will, welches sie strictissimie halten, muß sich mit einem Trinkgeld abkauffen." Laut Überlieferung war der Äquator nicht der einzige Ort, an dem in der Schifffahrt getauft wurde. Bekannt waren Gibraltar, Firth of Forth, Nordkap. Cape Finisterre, Cape St. Vincent, die Dardanellen, Kap Race, die Neufundlandbänke, Kap Horn, Kap der Guten Hoffnung, schließlich der Wendekreis des Krebses und des Steinbocks, Tropicus Cancri und Tropicus Capricorni. Die Polartaufe ist etwa seit 1700 in diesen Gewässern bekannt und wurde ursprünglich von den Walfängern vorgenommen. Die Zeremonie war ähnlich der am Äquator. Wegen der klimatischen Bedingungen wurde kaum in der offenen See getauft. Südpolartaufen gab es selten. Der Naturwissenschaftler und Weltreisende Johann Reinhold Forster, der von 1772 bis 1775 mit James Cook an dessen zweiter Weltreise teilnahm schreibt in seiner "Reise um die Welt":"Am neunten September 1772 passirten wir die Linie bei einer gelind wehenden Luft. Unsere Matrosen tauften ihre Cameraden, welche sie noch nicht passirt hatten und sich nicht durch Trinkgelder loskaufen wollten. Wer die Salztaufe über sich ergehen ließ, zog sobald die Operation vorbei war, frische Wäsche und Kleider an, und da das auf der See besonders bei heißem Wetter nicht zu oft geschehen kann, so war ihnen das Untertauchen, anstatt eine Strafe zu sein, vielmehr heilsam und gesund. Für die Trinkgelder der Uebrigen wurden starke Getränke angeschafft, und diese vermehrten die Lustigkeit und Laune, welche den herrschenden Charakter der Matrosen ausmacht." Adelbert von Chamisso , der von 1815-1818 auf dem russischen Segler "Rurik" unter dem Kommando des Kapitäns Otto von Kotzebue eine Entdeckungsreise rund um die Welt machte, schrieb in sein Tagebuch: "Am 23. November um 6 Uhr Abends durchkreuzten wir zum ersten Mal den Aequator. Die Flagge ward aufgezogen, alles Geschütz abgefeuert und ein Fest auf dem Rurik begangen. Die Matrosen, die alle Neulinge waren, wußten nicht recht, was sie thun sollten, und ihr Neptun war ziemlich albern. Aber eine ausnehmende Freudigkeit herrschte unter ihnen, und eine Komödie, die sie aufführten, beschloß spät und ergetzlich den Tag. Punsch war ihnen in hinreichender Menge gereicht worden." Auch Friedrich Wilhelm von Preußen (1620-1688) erließ ein Dekret in dem es unter anderem heißt: "Weil bei den Seefahrenden Leuten vor Alters bewilligt, dass sie auf der Höhe von Barles taufen mögen und dies immer wieder geschieht, ungeachtet, dass oft Unglück daraus entsteht, also dass den Leuten durchs lange Nachschleppen das Blut aus Nase und Maul ausläuft, auch einigen verstickt geblieben" soll von jeden Neuling eine Kanne Wein an die Speisegemeinschaft gegeben werden. Damit soll das alte Recht abgelöst sein, heißt es in dem Dekret. Auf keinen Fall soll jedoch die Sitte des Taufens ganz verboten werden, steht weiter geschrieben, weil dann ein Unheil zu befürchten sei, "denn die Matrosen werden von dem Seerecht nicht abstehen, solltens auch andere mit dem Tode erkaufen". Quelle: Getauft mit Linienwasser und Sekt, VEB Hinstorf Verlag, Rostock, 1983 Im "Grossen vollständigen Universal-Lexikon" von Johann Heinrich Zeller, erschienen zwischen 1732 und 1754, findet sich eine geradezu anekdotisch zugespitzte Taufbeschreibung, aus der gewiss zu erlesen ist, dass schon sehr früh und sehr konsequent vor allem gefoppt und Komödie gespielt wurde: " ... Diejenigen, so albereit dabey gewesen, kleiden sich so seltsam aus, als sie ersinnen können, mit alten Lumpen, Flachsbärten, Perüquen usw.Einer hat eine Passkarte in seiner Hand, in der anderen einen Säbel oder Schuhschwartz, die anderen haben Pfannen und Kessel auf den Köpfen, Feuerhaken, Bratspiese, Röste und dergl. in Händen. Die Neulinge werden einer nach dem andern herzugerufen, auf den Rand eines Zubers, der mit Wasser gefület, gesetzt; man läst ihn die Hand auf die Karte legen und versprechen, dass er mit andern seinesgleichen es künftig auch so halten wolle, wie an ihm jetzo gethan wird, sodenn wir ihm Seewasser unter das Gesicht gesprengt, ein Zeichen mit Schwärtze vor die Stirn gemacht, und gefragt, ob er sich mit einem Trinkgelde lösen wolle. Thut er es, so wird er losgelassen, wo nicht, wird er in den Zuber gestürzt, und mit Dwailen oder Schiffsbesen lustig gescheuret." Das erscheint allerdings eine harmlose Angelegenheit zu sein. Ganz anders klingt die Beschreibung von den "Nykamern", den Neulingen die Rede ist: man rasierte sie mit großen Messern, ließ sie riesige Pillen schlucken, den "Hansebecher" mit übler Flüssigkeit leeren, hängte sie in einem Sack über das Feuer in den Rauch, warf sie in einen Sumpf und badete sie in eisigem Wasser. Sie mußten Prüfungen über sich ergehen lassen bei denen ihnen oft "der hals und rugge knackede, ock nese und munt blodele, welckes se alles vor leef nehmen mosten" - der Hals und Rücken knackte, auch Nase und Mund blutete, was sie alles erdulden mußten. Vielleicht hat aber auch hier die witzige Redensart über einen Kahlköpfigen: büst woll to vül oewer den Aequator sägelt, ihren Ursprung. Weitaus schlimmer war noch bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf einigen Schiffen das übliche Kielholen. Wobei vorwiegend die Schiffsjungen so getauft wurden. überliefert ist: "Wenn se de Sünnenlinien passiert hebben, hebben se de Jungs unnerm Keel dörchhaalt." Quelle: "Himmelsbesen über weißen Hunden", Konrad Reich, Martin Pagel, transpress VEB Verlag für Verkehrswesen Berlin, 1981)
Treffen Treffen Bilder Taufe Bilder Taufe
Wilfried Gille - "Meine Polartaufe- das besondere Highlight! " Da der Polartaufschein aus dem Jahre 1960 datiert und zwischenzeitlich recht verblichen ist, da er handcoloriert von einem Besatzungsmitglied auf dem Schiff hergestellt wurde, möchte ich den Text hier noch einmal wiederholen.Er lautet:
TAUFSCHEIN 69°44'N und 12°37'E Heute am 11.4. anno 1960, wurde der vollkommen heruntergekommene, total verliederlichte, zu nichts nutzige Hochseefischerlehrling GILLE,WILFRIED nach altem seemännischem Brauch von den Schlacken der gemäßigten Zone gereinigt und auf den Namen ROCHEN getauft. Ihm ist gestattet Nixen zu küssen und sich in allen Lokalitäten der nördlichen Halbkugel zu erholen. DHSO ...................................................................................Neptunstempel Anton Saefkow ROS 115
Bericht zum Ablauf der Polartaufe Als wir uns langsam aber sicher mit unserem Logger dem Nordpolarkreis näherten, erkundeten 2 Meeresdiener die 4 Täuflinge des Loggers. So ungereinigt wie wir seien, hätten wir nichts an Deck zu suchen äußerten sie, deshalb müßten wir unter Deck festgehalten werden. Dem Kapitän blieb nichts anderes übrig, als den Anweisungen nachzukommen und benannte die Drahtlast als Gefängnis. Die als Vorhut erschienenen Helfer des Meeresgottes Neptun waren es zufrieden und trieben uns mit großem Krach und unter Schlägen in die Drahtlast, die sich im Vorschiff befand. Anschließend wurde das Schott versperrt. Danach begannen die Vorbereitungen für Neptuns grossen Auftritt. Als die Zeit gekommen war, wurden wir von den Helfern Neptuns mit viel Geschrei und schweren Schlägen mit dicken Tampen und grossen Knoten an ihren Enden an Deck geprügelt. Dort angekommen wurde uns gesagt, so schmutzig könnten wir nicht Neptun, dem Herrscher über alle Ozeane, Meere, Seen, Flüsse und Bäche, zur Taufe gegenüber treten. Also wurden wir von weiteren Helfern Neptuns erst einmal ordentlich gereinigt und rasiert, bevor wir Neptun gegenüber treten durften. Die Reinigung bestand aus einem Wasserstrahl Meereswasser (ca. 6-8°C) und der Bearbeitung mit den Decksbesen und einem Eimer Seifenlauge. Das folgende Rasieren erfolgte mit Schmierseife und einem grossen Holzscheidmesser, wobei man nicht gerade zartfühlend mit uns umging. Danach mussten wir einzeln und nacheinander durch ein Fischfass ohne Boden in Richtung Neptun krabbeln, der auf einem Fischlukendeckel thronte, um unsere Untergebenheit zu bezeugen. Dabei erhielten wir von hinten wieder die kräftigen Tampenhiebe und von vorn den eiskalten Meereswasserstrahl (3°C) aus den Feuerwehrschläuchen der Schiffslöschanlage, der unserer äußerlichen Reinigung von den Unreinheiten der gemäßigten nördlichen Halbkugel diente. Doch endlich saßen wir frierend und klappernd am Boden vor Neptun mit seinem langen Bart und dem Dreispitz in der Hand. Nun gab es ein kurzes Vorwort über die Bedeutung der Meerestaufe und anschließend verlas ein Helfer Neptuns dann den Tauftext und verkündete den künftigen Namen des Täuflings. Im Anschluss an die Taufzeremonie musste jeder Getaufte zum Dank der Taufe die Füsse Neptuns küssen. Damit sich auch niemand drückte, standen auf beiden Seiten die kräftigsten Helfer Neptuns. Neptun hatte Seestiefel an und auf den Stiefelspitzen wurde jedes mal neu, ein Batzen Schmierfett und andere nette Zutaten aufgetan. Auszuweichen war unmöglich, denn die beiden Helfer drückten sofort das Gesicht voll nach unten. Man glaubte, fast daran zu ersticken. Nachdem dies von allen absolviert worden war, bekam man einen Trunk. Er bestand aus allem möglichen, was Übelkeit verursachen sollte und könnte. So weiss ich , dass Senfsosse, Ketchup, Essig und mehr darin war. Auch dabei wurde aufgepasst, dass jeder wenigstens etwas herunterschluckt. Zu jedem Trunk gehört natürlich auch etwas zu Essen! Das Mahl bestand wahrscheinlich aus einem ungekochtem Teigkloß mit allerhand scharfen Zusätzen. Nun war spätestens der Moment gekommen, an dem das meiste wieder erbrochen wurde und man kreidebleich vor Übelkeit wurde. Im Anschluß daran bekamen wir endlich unseren Taufschein ausgehändigt!!! Von nun an hatte ich den Namen „Rochen“ zu tragen. Man hatte sich für mich diesen Namen ausgesucht, da ich oft grinste. Wer den Rochen kennt und ihn schon einmal über die Aussenspitzen mit dem Maul nach aussen zusammengedrückt hat, hat schon einmal das Grinsen eines Rochen gesehen, das dabei entsteht. Nach der Zeremonie durften und mußten wir schnell unter Deck, damit unsere Gesundheit aufgrund der herrschenden Außentemperaturen nicht ernsthafte Folgen hinterliess. Nach unserer Reinigung bekam jeder einen Schluck Weinbrand oder Wodka nach Wahl, um sich innerlich zu desinfizieren. Danach gingen wir wieder zur Tagesordnung über, da am nächsten Tag die Fischereizeit begann.
Bilder Taufe s/w Bilder Taufe s/w